Wettbewerb & Markt

Gigaliner: Schweiz auf Konfrontationskurs mit der EU?

| Aktualisiert am 24.04.2024 | von Niels Volken

Das EU-Parlament hat im März 2024 den Weg für den grenzüberschreitenden Verkehr von Gigalinern freigemacht. Damit könnte auch der Druck der EU auf die Schweiz steigen. Die ASTAG spricht sich kategorisch gegen Gigaliner auf Schweizer Strassen aus.

EU-Parlament

In Skandinavien sind sie schon weit verbreitet – die sogenannten Gigaliner, d.h. Lastwagen mit 25,25 Meter Länge und bis zu 60 Tonnen Gesamtgewicht. Künftig werden sie in ganz Europa unterwegs sein. So möchte es zumindest das EU-Parlament. Es hat Anfang März die Anpassung einer Richtline zur Harmonisierung von Massen und Gewichten von Nutzfahrzeugen angenommen, die den grenzüberschreitenden Verkehr von Gigalinern ermöglichen soll.

Doch bis zur freien Fahrt für Gigaliner wird es noch dauern. Der Entwurf muss noch von den EU-Verkehrsministern gutgeheissen werden. Diese wurden sich in ihrer jüngsten Sitzung nicht einig, insbesondere Österreich stellt sich dezidiert gegen Gigaliner. Die Brennerstrecke sei nicht für solche Dimensionen und Tonnagen ausgelegt, die Brücken und Tunnel bereits jetzt am Anschlag, warnt Wien. In drei Monaten finden ausserdem bereits die Europawahlen statt, während im Herbst die Neubesetzung der Kommission und die Festlegung der Legislaturziele anstehen. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob die Richtlinie noch dieses Jahr verabschiedet wird. Ist es einmal soweit, wird den Mitgliedstaaten schliesslich eine Übergangsfrist von zwei Jahren gewährt, um die neuen Bestimmungen in ihre nationale Gesetzgebung zu integrieren.

Im Gegensatz zu den sofort verbindlichen EU-Verordnungen geben Richtlinien den Mitgliedstaaten grossen Gestaltungsraum bei der Umsetzung. Das ist auch hier der Fall. Die Gigaliner-Richtlinie gibt zwar Maximalgewicht und -abmessungen vor, lässt es den Mitgliedstaaten aber frei, ob sie diese auch ausreizen wollen. Dasselbe gilt im internationalen Verkehr: Nur EU-Länder, die selbst Gigaliner zulassen, müssen ihre Strassen auch für solche ausländischer Herkunft öffnen.

 

ASTAG gegen Gigaliner auf Schweizer Strassen

Die Schweiz hat sich mit dem Landverkehrsabkommen dazu verpflichtet, gewisse EU-Normen in die hiesigen Gesetze zu integrieren. Darunter ist auch ebendiese Richtlinie zu Lastwagenmassen. Grundsätzlich wäre es damit auch der Schweiz überlassen, ob sie die Höchstmasse für LKW anhebt. Nichtsdestotrotz ist seitens EU mit Druck zu rechnen, dass Gigaliner auf der wichtigen Nord-Süd-Achse zugelassen werden. Bisher steht das Thema allerdings in den Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU um das künftige bilaterale Verhältnis nicht auf der Traktandenliste. Der Bundesrat hat zudem zugesichert, dass an den verkehrspolitischen Eckpfeilern im Landverkehrsabkommen nichts geändert werden soll.

Die ASTAG lehnt die Zulassung von Gigalinern in der Schweiz kategorisch ab und hat bereits im vergangenen Oktober ein Positionspapier zum Thema publiziert. Die geographischen Gegebenheiten der Schweiz sind für Gigaliner ungeeignet und das Strassennetz ist nicht für sie ausgelegt. Folglich müssten teure Anpassungen an Brücken, Tunnels und Auffahrten vorgenommen werden. Das Geld für diese Infrastrukturanpassungen würde wiederum anderswo fehlen. Andere dringend benötigte Modernisierungen und Ausbauten des Nationalstrassennetzes, müssten zugunsten der Gigaliner aufgeschoben werden.

Die Effizienzgewinne von Gigalinern lassen sich erst bei längeren Stecken realisieren. Im Binnenverkehr, mit kürzeren Distanzen, lohnt sich deren Einsatz kaum. Von einer Zulassung würde daher vor allem der internationale Transitverkehr profitieren. Gemäss Verfassung gehört dieser jedoch auf die Schiene.