Verkehrsinfrastruktur

«Leistungsfähige Nationalstrassen – für weniger Ausweichverkehr»

Veröffentlicht am 13.06.2024 | von Urs Häfliger

STEP – das strategische Entwicklungsprogramm für den Ausbau und Unterhalt der Nationalstrassen – soll ein Schritt nach vorne sein. Die Gegner möchten diesen Schritt aber verhindern. Wie wichtig ein JA in der Urne für die Mobilität ist, erläutern ASTAG-Vizedirektor André Kirchhofer und StrasseSchweiz-Geschäftsführer Olivier Fantino im Doppelinterview.

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André Kirchhofer, Olivier Fantino – warum braucht es STEP?

Olivier Fantino: Das Schweizer Nationalstrassennetz ist rund um Agglomerationen (fast) flächendeckend überlastet. Der Verkehr weicht deshalb auf die Sekundärstrassen aus. Das belastet Stadt, Agglomeration und Land mit Lärm, Verkehr sowie Abgasen und erhöht die Gefahr von Unfällen. STEP soll Gegensteuer geben: Das Ziel der Ausbauprojekte ist es, dass der Verkehr wieder möglichst auf den Nationalstrassen stattfindet – wo er auch hingehört.

André Kirchhofer: Dabei sind die Nationalstrassen das Rückgrat der Logistik und der Mobilität. Wenn die Versorgung und Entsorgung in diesem Land weiter funktionstüchtig, zuverlässig und flexibel bleiben soll, brauchen wir leistungsfähige Nationalstrassen, die flüssigen Verkehr erlauben. Wir haben heute 40'000 Staustunden pro Jahr. Das ist erneut ein Rekordwert, und wir müssen 2024 vermutlich wieder mit einem Rekordwert rechnen. Da brauchen wir einfach Strassen, die diesem Verkehr standhalten können.

Wieso kommt es denn trotzdem zu einem Referendum?

OF: Das müssen Sie eigentlich die Urheber fragen (lacht). Mit Sicherheit ist aber Ideologie Schiene versus Strasse mit im Spiel. Wichtig zu erkennen ist aber, dass es in Zukunft um Multi-Modalität geht – wir benötigen alle relevanten Infrastrukturen, also auch die Strasse.

Gab es in der Vergangenheit schon ähnliche Abstimmungen?

AK: Das gab es bereits mehrfach, etwa bei der Planung und dem Bau der Nationalstrassen in den 1950er und 1960er Jahren. Später musste die Bevölkerung auf nationaler und kantonaler Ebene über einzelne Projekte abstimmen. Beispiele sind der Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds NAF oder der Sanierungstunnel am Gotthard (2. Röhre).

OF: Dabei haben sich Bürgerinnen und Bürger mehrfach und klar für die Strasse ausgesprochen. Warum? Weil die Leute den Verkehr nicht direkt vor der Haustür möchten. Das ist die Idee von solchen Achsen, auf denen sich der Verkehr konzentriert. Genau dasselbe gilt für STEP.

Wenn aber das Volk stets für den Ausbau gestimmt hat, müssten Sie beide sich ja keine Sorgen machen.

OF: Selbstverständlich hoffe ich auf einen positiven Entscheid. Doch die STEP-Gegner werden vermutlich emotional aufgeladene Argumente ins Feld führen. Daher müssen wir uns sehr anstrengen, um unsere Position klar darlegen zu können.

AK: Es ist ein knappes Resultat zu erwarten, weshalb wir um jede Stimme werden kämpfen müssen. Wahrscheinlich wird sich ein Stadt-Land-Graben auftun. Der öV ist in der Stadt meist gut ausgebaut, deshalb wird die dortige Bevölkerung denken, dass der Ausbau nicht notwendig ist. In den übrigen Regionen ist man aber auf das Auto angewiesen und leidet auch meist unter dem Verkehr auf den Sekundärstrassen. Deshalb dürfte der JA-Stimmen-Anteil hier höher liegen.

Was würde denn bei einem NEIN geschehen?

AK: Der Entscheid ist absolut wegweisend, wie es mit der Mobilität, dem Verkehr, der Logistik in diesem Land weitergehen soll – für die nächsten Jahre, ja sogar Jahrzehnte. Ein NEIN ist gleichzusetzen mit einem Stopp für Infrastrukturausbau. Das wäre für den Wirtschaftsstandort Schweiz verheerend. Dann droht uns ein Verkehrskollaps, wie ja die steigenden Staustunden schon jetzt zeigen.

OF: Bei einem NEIN würden diese Projekte gestoppt, und die Verkehrsbelastung auf dem Sekundärnetz in den betroffenen Regionen würde stark zunehmen. Der Druck seitens Bevölkerung, Wirtschaft und Gewerbe würde zunehmen, doch für neue Lösungen wäre dann wieder viel Zeit nötig. Der Entscheid für STEP ist auch ein Entscheid für eine zukunftsfähige Mobilität.

Die Gegner führen erhöhte Treibhausgasemissionen, Bodenverschwendung und zu hohe Kosten als Argumente ins Feld. Wie halten sie dagegen?

AK: Die Strassenkasse (NAF, Anm. der Redaktion) wird mit Strassengeldern finanziert, aktuell sind genügend Mittel vorhanden. Der Bundeshaushalt wird durch den STEP-Ausbau nicht belastet. Auch ist der NAF zweckgebunden. Das heisst: Wenn STEP nicht kommt, bleibt das Geld in der Strassenkasse. Es darf von Gesetzes wegen nicht dafür verwendet werden, öV-Projekte zu finanzieren. Das sind getrennte Gefässe. Das Argument, dass Geld für den öV fehlt, stimmt nicht.

Wie wird diese Argumentation mehrheitsfähig?

AK: Es ist eine Kernaufgabe aller Verbände, die Wirtschaft, Gewerbe, der Mobilität, Verkehr und Logistik vertreten, für eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur einzustehen. Es wird eine lange und intensive Kampagne geben. Die Vorbereitungen laufen. Seitens ASTAG werden wir die Mitglieder auffordern, sich hier zu engagieren. Es braucht die Unterstützung von allen.

OF: Die Gegner argumentieren polemisch. Wir müssen die entlarvenden Argumente liefern. Zudem bieten die Gegner – und das ist ihr grösstes Problem – keine Lösung an. Was wäre denn die Alternative, wenn ein NEIN in der Urne herauskommt? Mehr Verkehr vor der eigenen Haustür oder vor der Schule? Das will niemand.

Es liegt also an uns allen, sich für die Zukunft dieses Landes einzusetzen. Danke für das Gespräch.

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